Eine Kostprobe irischen Whiskeys
Ich sitze neben einer riesigen, glänzenden Kupferbrennblase in einem verglasten Brennhaus mit Blick auf einen kleinen Obstgarten und dahinter ein ansehnliches Herrenhaus, mit zwei kleinen Whiskey-Kostproben vor mir.
Der Duft der einen Kostprobe deutet auf Holzrauch, Torffeuer und salzige Strandluft hin. Ein Schluck enthüllt subtile Gewürze und pfeffrige Noten. Und die andere Kostprobe? Karamell-, Honig- und Trockenobst-Aromen mit weichem Geschmack, der hinter süßen Toffee-Noten pfeffrig wird.
Wir befinden uns in der Echlinville Distillery auf der malerischen Ards Peninsula östlich von Belfast, am „Tippling“-Ende der Tour & Tipple Experience. Dank der lustigen Bemerkungen und gekonnt erzählten Witze unserer Tourleiterin Audrey war die Tour nicht nur interessant, sondern hat auch großen Spaß gemacht.
Das Herrenhaus auf dem Echlinville Estate, Grafschaft Down
Man erzählt sich augenzwinkernd, dass das zusätzliche „e“ in der irischen Schreibweise von „Whiskey“, um ihn vom schottischen „Whisky“ zu unterscheiden, für Exzellenz steht – eine althergebrachte Neckerei, die angesichts des derzeitigen Aufschwungs von irischem Whiskey (einer der am schnellsten wachsenden Premium-Spirituosen der Welt) wieder neue Aktualität erlangt hat.
Und es gibt die Geschichte über einen einheimischen Bauern, der seine Weiden mit dem reichhaltigen Angebot an alkoholgetränkten Getreideabfällen düngt, die nach dem „Wort“-Brennvorgang (Würze, ähnlich wie bei süßem Bier mit niedrigem Alkoholgehalt) und vor der Umwandlung in neue Spirituosen übrig bleiben.
Diese Null-Abfall-Lösung mache die Kühe auf der Weide sehr glücklich, wie der Landwirt mit einem Zwinkern zugibt.
Tourleiterin Becky McKee, Tour & Tipple Experience
Dunville’s Whiskey
Damit diese neu gebrannte Spirituose zu einem Irish Whiskey wird, muss sie laut Audrey mindestens drei Jahre und einen Tag in Fässern ruhen, je länger, desto besser.
Es ist faszinierend, dieses Paar vor mir zu vergleichen, und zu sehen, wie die verschiedenen Fässer, die zum Abschluss des Reifeprozesses von Dunville’s Three Crowns Blended Whiskey verwendet werden, solch kontrastierende Eigenschaften über die Verwendung der ehemaligen Bourbon-Fässer, in denen der Whiskey seinen Anfang nimmt, hinaus erzielen können.
Fässer im Whiskey-Reifelager der Echlinville Distillery
Getorfte Whiskeys sind in Irland selten. Audrey erklärt, dass die subtilen, rauchigen, salzigen Noten im Three Crowns Peated aus einer kurzen Lagerzeit in gebrauchten Fässern stammen, die in West-Schottland gekauft werden, wo stark getorfter Scotch beliebt ist.
Die süßeren Noten meiner zweiten Kostprobe gehen auf die letzten Monate der Reifung in Sherry-Fässern zurück, eine Anspielung auf die lange Tradition Irlands, Sherry-Fässer für die eigene Whiskey-Produktion umzufunktionieren.
Becky McKee, Echlinville Distillery
Bán Poitín
Einige andere „Tippler“ aus meiner Gruppe genießen einen Schluck Bán Poitín, ein reiner, erdiger Tropfen, der von den nicht in Fässern gelagerten, irischen Spirituosen inspiriert ist, die fast vier Jahrhunderte illegaler Produktion überdauerten, bevor das Verbot Ende des 20. Jahrhunderts aufgehoben wurde.
Echlinville stellt Bán Poitín für Bar 1661 in Dublin her, die eine moderne Cocktail-Wiederbelebung anführt und gleichzeitig das Erbe dieses freigeistigsten aller irischen Getränke bewahrt.
Die Marken der Echlinville Distillery
Einige andere haben sich für einen der vier Gins entschieden, die diese Brennerei herstellt – eine Zahl, die den parallelen Aufschwung bei irischen Craft-Gins widerspiegelt. Da wäre zum Beispiel der leichte, zitronige Feckin Gin, benannt nach einem legendären lokalen Heiligen, der für seine magischen Kräften bekannt war.
Dann gibt es den Jawbox, einen trockenen Gin in kleinen Abfüllungsmengen mit dem Duft von Ginsterblüten aus den Black Mountains, die Belfast überragen, und den frischen Weavers Gin, eine Hommage an die historische Leinenindustrie der Stadt.
Der Echlinville Gin wird in kleinen Mengen in der Kupferbrennblase hergestellt, die wir auf der Brennhausetage unter uns sehen können, und mit dem Aroma von süßen Seealgen aus dem nahegelegenen Strangford Lough sowie anderen regionalen Pflanzenstoffen verfeinert.
Die Stallungen auf dem Echlinville Estate
Die Stallungen auf dem Echlinville Estate
Andere, wie mein freundlicher Fahrer, entscheiden sich vernünftigerweise dafür, ihre Getränkegutscheine gegen einen Einkauf in dem gut bestückten Souvenirladen einzulösen. Dieser befindet sich in den ursprünglichen Außengebäuden des ehemaligen über 600 Hektar großen Anwesens.
Der nahegelegene Innenhof mit Stallungen aus dem 17. Jahrhundert soll in ein Museum umgewandelt werden, das die Geschichte dieses Anwesens und die hier wieder zum Leben erweckten traditionsreichen Whiskey-Marken feiert, darunter Old Comber, Matt D’Arcy und das Aushängeschild Dunville’s, einer der berühmtesten Whiskeys Irlands, bevor die Produktion in den 1930er Jahren für letztendlich 80 Jahre eingestellt wurde.
Das Herrenhaus auf dem Echlinville Estate, Grafschaft Down
Das Herrenhaus wurde für die Familie Echlin von Sir Charles Lanyon entworfen, der seine Spuren überall in der Landschaft von Ulster hinterlassen hat, dank so vielfältiger Bauprojekte wie Belfasts Custom House, Queen’s University, Crumlin Road Gaol and Courthouse und der Antrim Coast Road mit dem Glendun Viaduct.
Das Anwesen hat heute eine Fläche von ca. 7 Hektar und wurde von Shane Braniff aus einer alteingesessenen Bauernfamilie in vierter Generation auf der Ards Peninsula gekauft, der 2007 mit seiner Frau Lynne und den drei Kindern auf das Anwesen zog.
Wie viele andere Bewohner hat auch er eine unternehmerische Ader, und während er die Renaissance des irischen Whiskeys aufmerksam verfolgte, hegte Shane den Traum, seinen eigenen Whiskey herzustellen. 2013 hatte er mit dem Bau dieses ambitionierten Brennhauses begonnen.
Die Echlinville Distillery, Grafschaft Down
Drei Jahre später schrieb die Echlinville Distillery Geschichte, als sie die erste neue Destillerie war, die in 125 Jahren in Nordirland eröffnet wurde. Mehrere weitere sind dem Beispiel gefolgt und nutzten den starken Aufschwung der irischen Destilleriekunst auf der ganzen Insel. Die Zahl der Brennereien hat sich innerhalb von einem Dutzend Jahren verzehnfacht und von nur vier im Jahr 2010 auf mehr als vierzig (Tendenz steigend) erhöht.
Destiller’s Rest Café und das Herrenhaus auf dem Echlinville Estate, Grafschaft Down
Das Echlinville-Team gehört zu den wenigen, die eine Vom-Feld-ins-Glas-Vision verfolgen. Die gesamte Gerste für die neuen Echlinville-Spirituosen wird auf der unberührten Halbinsel angebaut, die dank ihres einzigartigen Mikroklimas einst der Brotkorb von Ulster war. Der Großteil stammt von den Gehöften der Familie Braniff, wo auch sogenannter „Floor-Malt Barley“ auf traditionelle Weise von Hand hergestellt wird.
Die Tour mit Audrey folgt der Reise dieser Gerste von ihrer Ankunft in zwei separaten Getreidesilos für gemälzte bzw. ungemälzte Gerste, über die Abfüllung in Trichter, den Mahlvorgang zum Schrot, die Befeuchtung und die Erwärmung im Maischbottich, um die Würze („Wort“) herzustellen.
Getreidesilos in der Echlinville Distillery
Whiskeyherstellung in der Echlinville Distillery
Wir sehen die Kupferbrennblase für kleine Abfüllmengen, die immer noch zur Herstellung von Echlinville Gin verwendet wird, sowie die kleine, ständig im Betrieb befindliche Brennblase, die nach wie vor für die Produktentwicklung zum Einsatz kommt. Wir begeben uns in das riesige, stille Reifelager, in dem Fässer aller Formen und Größen auf ihrem Weg zur Whiskey-Exzellenz schlummern. Die codierten Kreidemarkierungen geben einen Hinweis auf die Schätze, die sich darin befinden.
Audrey bereichert diesen Weg mit interessanten Geschichtsanekdoten, wie zum Beispiel warum ungemälzte Gerste der Schlüssel für die Entwicklung des traditionellen Braustils Irlands mit einer einzigen Brennblase war. (Spoiler-Alarm: Irische Destillierer aus dem 18. Jahrhundert verwendeten einen großen Anteil an roher, ungemälzter Gerste, um hohen Steuern auf Gerstenmalz entgegenzuwirken.)
Kupferbrennblase in der Echlinville Distillery
Whiskeyverkostung in der Echlinville Distillery
Die Tour bietet einen hervorragenden Überblick für Anfänger in puncto irischer Brennereikunst, gewährt aber auch viele Einblicke für eingefleischte Whiskey-Liebhaber. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass wir amerikanischen Küfern am Anfang des 20. Jahrhunderts den heutigen nie abreißenden Vorrat an gebrauchten Bourbon-Fässern zu verdanken haben – ihre einflussreiche Gewerkschaft setzte sich für das noch immer geltende Gesetz ein, nach dem Bourbon stets in neuen Eichenfässern gereift werden muss.
Am Ende der Tour nehmen wir uns Zeit, um das Gelände des Anwesens zu erkunden. Es gibt Pläne, die Besuchererlebnisse hier zu erweitern, um einige ausgezeichnete lokale Lebensmittelproduzenten zu präsentieren, und die vielfältigen Getränke von Echlinville mit Spezialitäten wie Young Buck zu kombinieren, einem Blaukäse aus Rohmilch im Stilton-Stil, der unweit des Anwesens in Newtownards hergestellt wird.
Erkunden Sie das Gelände des Echlinville Estate, Grafschaft Down
Die Ards Peninsula eignet sich für einen Tagesausflug mit ein paar Stunden auf dem vom National Trust verwalteten Anwesen Mount Stewart genauso gut wie für einen Aufenthalt mit Übernachtung, um Strangford Lough per Kanu von einem von mehreren lokalen Wassersportunternehmen ausgiebig zu erkunden.
Für uns war es an der Zeit, uns wieder ins Auto zu setzen, als die Sonne über dem von Meeresströmungen und Gezeiten gespeisten Lough langsam unterging, und der Uferstraße zurück zu den hellen Lichtern der Stadt Belfast zu folgen.
Strangford, Grafschaft Down